Zur Autoindustrie (D)

Tesla Motors haben 2008 mit ihrem Tesla Roadster viele überrascht. Seine Leistungsdaten und die grosse Reichweite von 300-400 Km, auch unter normalen Fahrbedingungen, hatten eine Messlatte definiert, die erst vor kurzem durch die Limousinen von Tesla nochmals überboten wurden. Keine anderen, rein elektrisch angetriebenen Serienfahrzeuge, konnten sich diesen Leistungen bis 2016 auch nur annähern. 2500 Roadster, in 31 Ländern zugelassen, hatten mehr als 50 Millionen Kilometer unter verschiedensten klimatischen Bedingungen zurückgelegt. Diese Roadster erprobten die eingesetzte Technik und leisteten einen wesentlichen Beitrag an die Entwicklung der neuen Modelle von Tesla. Für die Roadster war kurzzeitig ab 2017 auch eine noch leistungsfähigere, Batterie im Angebot, die die Reichweite des Roadsters von ursprünglich 300-400 Km auf über 500 Km erweiterte.

Die guten Verkäufe des Tesla Model S überraschten selbst Tesla und die Produktionspläne mussten immer wieder angepasst werden. Eine ausführliche Betrachtung dieses Erfolges, mit zahlreichen Referenzen und Bemerkungen zu den Schwierigkeiten potentieller Konkurrenten, hat Dean E. Dauger verfasst (engl.).

Reichweiten von Elektrofahrzeugen werden oft ohne Angabe des Testzyklus genannt und müssen daher mit Vorsicht genossen werden. Als Beispiel dafür sei hier die Reichweite eines älteren Tesla Model S P100D genannt: Es erreichte im europäischen Zyklus NEFZ (engl. NEDC) 613 Km und im realistischeren amerikanischen EPA Zyklus 504Km (315m). Eine Verbesserung brachte der neue WLTP-Zyklus, der nun  geringere Reichweiten liefert, aber immer noch fern der Praxis bleibt. Effektiv fahrbar sind zumeist erst die aktuellen (2020) amerikanischen EPA-Reichweiten.

Es ist keineswegs einfach ein effizientes Elektroauto mit grosser Reichweite zu konstruieren. Projekte an Hochschulen und Umbauten im Hinterhof projizieren hier zu oft ein ein “jeder kann das ja” - Bild, das falscher nicht sein könnte. Die Anforderungen an Motoren, Getriebe, wie Elektronik und Software sind hoch. Welchen Aufwand das allein schon für die Motorenentwicklung nach sich ziehen kann, illustriert hier das Interview mit einem Tesla Motorenspezialisten (engl.)Das Model 3 erreicht mit einem neuen Motorentyp und vielen weiteren Verbesserungen der Elektronik und der Batterien, wie einer guten Aerodynamik, erstaunlich geringe Verbrauchswerte. Unter schweizerischen Strassenverhältnissen, auch mit Autobahnen, benötigt man oft weniger als 160Wh/Km (16kWh/100Km, Sommerreifen, im Sommer). Die geschaltete Reluktanzmaschine des Model 3 erklärt hier Horst Lüning (D):

Das Model 3 AWD wiegt leer 1850 Kg (mit 2 Motoren und Batterie für grosse Reichweite). Das entspricht in etwa dem Gewicht eines Porsche Macan, oder liegt wenig über einem vergleichbar starken Mercedes C. Das entkräftet ein weiteres beliebtes Gegenargument zur Elektromobilität: dass die Batterie zwangsläufig zu schwer werden muss - bei brauchbarer Reichweite.

Die Autoindustrie hat mittlerweile erkannt, dass ein nicht so leicht zu bewältigender Paradigmenwechsel bevorstehen dürfte, wie Lars Thomsen in seinem Vortrag vom September 2013 erläuterte. Das Elektroauto verlangt aber nach Wissen und Können das auch ausserhalb der Autoindustrie nicht weit verbreitet ist. Das Fachwissen aus der Starkstrom-Elektrotechnik, der Softwareentwicklung und der Elektrochemie (Batterien) ist in der Autoindustrie nicht heimisch und entsprechende Fachleute sind hierzulande schwer zu finden.

Es ist unklar, welche der traditionellen Autobauer in den neuen Schlüsseltechnologien der elektrischen Traktion, einschliesslich der Batterien, sich eine gute Position werden erarbeiten können. Es ist auch  kostspielig und riskant in einer neuen, sich rasch entwickelnden, Technologie vertikale Integration zu suchen. Führend sind nebst Tesla zur Zeit eher in der Elektronik und Elektrochemie beheimatete, zum Teil sehr grosse, Unternehmen wie Panasonic und LG-Chem (Südkorea), oder BYD und CATL (China), die eben ein erstes Werk in Thüringen eröffneten. So stammte z.B. der gesamte Antriebsstrang des GM Elektrofahrzeuges “Bolt” von LG (Südkorea). Bosch ist federführend im Projekt Alpha-Laion (2013) zur Entwicklung von Hochenergietraktionszellen (Partner: BASF, Wacker, SGL, Daimler, BMW). Ob solche, oft subventionierte  Projekte mit mehreren Partnern, mehr als nur Subventionsabsorptionsvehikel sein werden, ist unsicher. Zusammenarbeit zwischen mehreren, wenn auch sehr kompetenten, Partnern, ist meist eine schwerfällige Angelegenheit. Zur Zeit scheint sich weiterhin eher eine Konzentration der Expertise in Fernost  und dann in anderer Weise in den USA (im Silicon Valley) abzuzeichnen. Führend sind in Südkorea Samsung, LG und Hyundai und in Japan Panasonic, in China CATL, BYD und jedenfalls auch Geely mit Volvo, die seit 2020 mit dem Polestar 2 den ersten realistischeren Konkurrenten des Tesla Model 3 stellen.

Die Wertschöpfungskette für die traditionellen Autobauer dürfte sich mit der Verbreitung elektrischer Fahrzeuge vorerst einmal verkürzen und für sie die Marktmacht zu Zulieferern verschieben.

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Charakteristisch ist immer noch, dass  vor allem Fahrzeuge mit beschränkten Reichweiten angeboten werden; dies wohl nicht zuletzt auf Grund der heutigen Batteriekosten. Selbstverständlich schränken kurze Reichweiten den Markt entsprechend ein. Erst der Markterfolg der Tesla Limousinen mit grossen  Reichweiten hat die Industrie mittlerweile bewogen auch leistungsfähigere Modelle anzukündigen, oder gelegentlich sogar als Studie vorzustellen. Eine gute Uebersicht zu den Anstrengungen in Deutschland fand sich in der Zeitschrift Automobile vom Dezember 2014 (engl.) und in “Clean Tecnica” (2018, engl.). 

Fahrzeugstudien, Prototypen und “Vorstellungen” ohne eine respektable Anzahl Fahrzeuge bei Kunden, kommentiere ich aber hier nicht weiter, da die Spezifikationen, soweit bekannt gegeben, noch der Praxistest bevorsteht. Erste Testberichte sind auch immer mit etwas Vorsicht zu geniessen, denn vielen Testfahrern sind die Eigenheiten elektrischer Fahrzeuge noch nicht vertraut genug. Interessenten sei geraten, die Wagen selber zu fahren und in Fragen zu realen Reichweiten und Lademöglichkeiten sich an erfahrene Elektroautofahrer zu wenden.

Die grossen Auto-Hersteller (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)

Einen guten Ueberblick zum Stand der Dinge (Frühjahr 2020) gibt unten Robert Llewellyn (engl.):


Jaguar hat anfangs Juli 2018 als erster nach Tesla ein grösseres Elektroauto mit brauchbarer Reichweite der Presse und potentiellen Kunden in Europa vorgestellt, den Jaguar I-Pace. Der Wagen ist umfangreich ausgestattet und sehr geländegängig, wie ihm das oben Robert Llewellyn auch attestiert.

Bild: Jaguar.com

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Erste Beschreibungen der Fahreigenschaften finden sich z.B. hier (D): 

Oder auch hier (E). Es fällt auf wie gut die unter ganz unterschiedlichen Bedingungen erhobenen Erfahrungen übereinstimmen. Auch meine Probefahrt bestätigte die wesentlichen Eindrücke der professionellen Tester.


Aehnlich sind die grossen SUV’s von Audi und Mercedes positioniert. Unten ein sehr guter Beschrieb des Audi (2020).


Dazu nun noch ein paar Erläuterungen zur Vorgeschichte und weiterer Elektroauto Hersteller:

Nissan und Mitsubishi produzierten die ersten rein elektrisch getriebenen Grossserienfahrzeuge, die auch von Grund auf als Elektrofahrzeuge konzipiert wurden: den Nissan Leaf und den Mitsubishi iMiev. Die Verkäufe begannen in einzelnen Märkten 2011. Der Nissan Leaf dürfte weltweit das bisher meistverkaufte Elektroauto geworden sein. 

Zu einzelnen Marken:

BYD (Shenzhen, mit Grossaktionär Warren Buffet), das in Europa und Kalifornien je ein JV  für die Produktion elektrischer Stadtbusse gründen will, oder schon gegründet hat, könnte ebenfalls gewichtige Marktpositionen erreichen. BYD ist zugleich ein grosser Batterienproduzent und verfügt so über viel geeignetes Wissen und Können. BYD hatte schon im Juli 2013 in Europa erste Lieferkontrakte für rein batterie-elektrische Autobusse gewonnen. Die relativ grosse Reichweite mit einer Ladung, von offenbar gut 250 Km, ermöglicht vielfach einen ganztägigen Betrieb ohne dazwischen nachladen zu müssn. Praktische Versuche in Polen ergaben gemäss dem obigen Bericht 310Km unter nicht genauer spezifizierten Bedingungen. In Kalifornien wurde im April 2014 die erste Serie elektrischer Autobusse mit derselben genannten Reichweite von 250 Km, aus lokaler Produktion ausgeliefert.

Mittlerweile (2018) hat sich BYD mit Fabriken in Allonne (F) und Komarom (H) als einer der grossen Hersteller schwerer Nutzfahrfzeuge in Europa etabliert. Eine erste Serie leichterer Nutzfahrzeuge wurde im Januar 2019 in Murcia (E) vorgestellt

Zusammen mit Daimler (BYD Daimler New Technology Co., Ltd.) lancierte BYD im August 2016 das 2. Denza-Modell, den “Denza 400”, der eine Reichweite gegen 400 Km schaffen soll.

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Hyundai und Kia, die Marken des Hyundai Motor Group, stellten das Kia Soul EV vor, dessen Markteinführung im Oktober 2014 begann. Es hatte eine offenbar leistungsfähige Batterie von SK (SK Innovation) erhalten. Hyundai und SK, diese sehr grossen koreanischen Mischkonzerne, verfügen über breit abgestützte technische Fähigkeiten, die ihnen relativ schnell gute Positionen in neuen und dynamischen Märkten verschaffen können. Wie im Bericht von Robert Llewellyn oben erwähnt, ist die  Nachfrage nach dem elektrischen Hyundai Kona grösser als die Produktionskapazitäten und es bestehen lange Wartefristen (2020).

Eine besondere Situation entwickelt sich auf dem sehr grossen chinesischen Markt. Geely ist der grösste Autohersteller in China und hat Volvo übernommen. Es wird sich bald zeigen welche Entwicklungsschübe auf diesem Wege nach Europa und den USA gelangen werden. Es ist festzustellen, dass vor Kurzem z.B. elektrische Stadtautobusse aus China importiert wurden.

Renault (mit Nissan) hatte 2011 Pläne und erste Modelle vorgestellt. Erste Fahrberichte mit dem Renault Fluence Z.E, sind im Oktober 2011 erschienen. Dessen Produktion wurde aber mangels Nachfrage eingestellt (Jan 2014). Ein guter Bericht zur Strategie von Renault-Nissan findet sich hier. Renault gab aber dann seine Pläne für eine eigene Batterienproduktion auf (Juli 2012). Der Start für den Verkauf des Modelles Zoé erfolgte 2013. Auch Renault hat für die Batterien Lieferkontrakte mit LG-Chem (Südkorea).

Daimler und Toyota erwarbenschon früh Anteile an Tesla Motors, die Daimler, wie Toyota, dann im Oktober 2014 mit grossem Gewinn wieder verkauften. Toyota entwickelte mit Tesla ein erstes Serienmodell mit der elektrischen Version desToyota RAV 4, der 2012 in Kalifornien vorgestellt wurde und die Antriebssysteme für die Smart ED stammten von Tesla. Für die elektrische Version der Mercedes B-Serie wurde ebenfalls Tesla beigezogen. Umgekehrt fanden sich einige Teile aus dem Daimler-Sortiment im Tesla Model S wieder. 

Volkswagen arbeitete 2010 mit Martin Eberhard zusammen, einem der Gründer von Tesla Motors. Es standen mehrere Konzepte im Raum. Eine Zusammenfassung der damaligen Pläne findet sich hier (engl. Stand Januar 2013). Die Entwicklung verlief nicht besonders geradlinig. So gab Audi im Februar 2013 bekannt, dass ihre Elektroautoentwicklung eingestellt wurde. Hybride Lösungen standen bei VW & Audi im Vordergrund, wie Dr. Peter Gebhard von Audi erläuterte (April 2014)Im Mai 2015 kündigte Ulrich Hackenberg (Entwicklungsvorstand) dann an, dass ein geplantes Audi SUV eine Reichweite von 500Km erreichen soll. Es soll auch kein Kompromiss eingegangen werden, das Auto müsse selbst einen Tesla in jeder Hinsicht überbieten können. Ein schönes Kompliment für Tesla. 

BMW kaufte die elektrische Antriebstechnik für ihre Flottenversuche mit umgebauten Mini’s bei AC-Propulsion in Kalifornien ein. Mit dem Ende des Flottenversuches hatte die Produktion dieser elektrischen Minis geendet. BMW will primär auf eigene Entwicklungen abstellen und stellte dazu im August 2011 erste konkretere Studien vor. Im Oktober 2011 wurde eine Zusammenarbeit mit Peugeot (Mitsubishi?) vereinbart, die aber schon Ende 2012 wieder aufgegeben wurde. Wie sich die Zusammenarbeit mit Toyota gestalten wird, die auch die Weiterentwicklung von Li-Ionen Batterien enthalten soll, muss sich noch zeigen. BMW prüfte in Flottenversuchen mit dem BMW ActiveE seine Komponenten, wie auch das Verhalten der Fahrer. Unter der neu geschaffenen Identität "BMW-i" wurden dann die Konzepte i3 und i8 gezeigt. 

Der mittlerweile produzierte i3 mit Karbonkarossie wurde optional auch als Hybrid mit einem Hilfsmotor angeboten. Der i8 war von vorneherein als Sportwagen mit hybridem Antrieb und nur sehr kurzer rein elektrischer Reichweite ausgelegt (ca.30Km). Er illustriert die Problematik dieser Auslegung mit seinem komplexen und voluminösen Antriebssystem, das nicht mehr viel Platz im inneren des äusserlich breiten (1.9m) Wagen lässt. 

GM befindet sich in technischer Hinsicht in einer guten Ausgangslage. Mit dem EV-1 wurden in den 90-er Jahren so gute Leistungen erreicht, dass sie noch heute als vorbildlich gelten können. Motor und Steuerung waren Vorläufer der ersten Tesla Roadster Versionen und Weiterentwicklungen des Antriebsstranges fanden sich auch in den BMW Elektro-Minis wieder (über AC-Propulsion). Der Chevrolet Volt (Opel Ampera) war im Grunde ein Elektrofahrzeug. GM konnte jederzeit auf dieser Basis auch ein reines Elektrofahrzeug herstellen, wie sie mit dem für Kalifornien und Oregon gedachten "Chevrolet Spark” zeigten. GM baute für die Entwicklung des Volt eine grosse Anlage für die Prüfung von Batterien - eine gute Basis für weitere Schritte. Der Erfolg von Tesla blieb GM nicht verborgen und die Entwicklung im Markt wird aufmerksam verfolgt.

Wie Lars Thomsen in seinem Vortrag vom September 2013 prognostizierte, hat sich die Entwicklung  ausserordentlich beschleunigt. Interessanterweise vergrösserte sich dabei der technische Vorsprung der Tesla Modelle weiterhin stetig, trotz der zunehmenden Aktivitäten potentieller Konkurrenten. Die Tesla Modelle zeichnen sich insbesondere auch durch sparsamen Stromverbrauch und grosse Reichweiten aus. Es besteht der Eindruck, dass die traditionelle Autoindustrie den Entwicklungsaugwand, um auf diesem neuen Gebiet erfolgreich sein zu können, unterschätzt hat.