Politik und Industrie


Nebst den leicht verständlichen Vorteilen der Elektromobilität für die Luftqualität in Ballungsgebieten, ist auch die Verringerung des gesamten CO2-Ausstosses von Bedeutung. Je nach der Herkunft der verwendeten Elektrizität kann der Beitrag elektrischer Fahrzeuge zur Verringerung des CO2-Eintrages sehr gross werden. Das hat zu zahlreichen politisch initierten Unternehmungen geführt, die zu einer grösseren Verbreitung elektrischer Fahrzeuge führen sollen.

Vom Fluss der Steuergelder scheint hierzulande vorallem eine umfangreiche Beratungsindustrie zu profitieren, die sich primär durch die Verwendung zunehmend komplexerer Computermodelle auszeichnet. Beliebt sind auch Umfragen zur Akzeptanz und möglichen Verbreitung der Elektromobilität mit Abschätzungen eventueller Auswirkungen auf dieses oder jenes. Daraus lassen sich dann, wieder mit solidem Computereinsatz, sogenannte Szenarien mit Projektionen in eine ferne Zukunft entwickeln. Mit Hilfe ausreichend zahlreicher und unsicherer Variablen giesst man diese dann in etwelche politisch korrekte Bilder im Sinne der Verfasser und Auftraggeber. Meist darf man dann schon zum Zeitpunkt der Publikation feststellen, dass wesentliche Entwicklungen verpasst oder gänzlich falsch eingeschätzt wurden. Dass dann diese Studien, nach löblicher Erwähnung in der Presse und Würdigung durch Politiker, alsbald dem Vergessen anheim fallen, verwundert wenig. Vielleicht wäre es klüger diese Gelder Universitäten und Ingenieurschulen ohne Zweckbindung zur freien Verfügung zu stellen. Damit würde wenigstens die Ausbildung gefördert.

Etwas praxisnäher ist der subventionierte Bau einer Anzahl von Ladestationen an mehr oder weniger sinnvollen Standorten. Nach einer gut orchestrierten Einweihung wird es jedoch meist sehr ruhig um diese Projekte. Es gibt ja erst wenige brauchbare Elektrofahrzeuge, die diese Infrastruktur nutzen können und diejenigen, die zu laden versuchen, scheitern dann gerne noch an der eingesetzten, allzu oft unbrauchbaren, Technik. Grössere Problemquellen sind u.A. wenig geschickt realisierte Abrechnungsverfahren und Sicherheitsvorkehren, die etwa dazu führen, dass Dosen nicht freigeschaltet werden können, Kästen verschlossen bleiben oder Stecker nicht mehr ausgezogen werden können - so sie überhaupt passen.

Es stellt sich schon die Frage, weshalb 2018 in Guangzhou schon 10’000 batterie-elektrische Busse in Betrieb sein können, während man in der ja gut elektrifizierten Schweiz kaum über erste Versuche mit Trolleybusvarianten und ein paar Batteriebussen hinausgekommen ist. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass es durchaus einige lokale Kompetenz auf diesem Gebiete gäbe, wie das Beispiel der Buslinie 17 in Bern im Verbund mit Hess und ABB zeigt. Elektrisch betriebene Taxiflotten, die wie z.B. in Schipol schon 70% des Taxiverkehrs bewältigen, fehlen ebenso. Dafür lassen sich Bundesämter Studien zur Oekobilanz von Traktionsbatterien vorlegen, deren Annahmen unter anderem veraltet sind und zudem von weiteren   Untersuchungen dieser Art nicht gestützt werden.

Weshalb dann zu guter Letzt sogar in der kleinen Schweiz mehrere Gruppen mit verschiedensten zu abonnierenden Ladesäulenzugangssystemen operieren, bleibt wohl ihr Geheimnis. Viele neue Installationen scheinen zudem Garagen mit Markenvertretungen als “öffentliche” Ladestandorte zu bevorzugen, genau dort, wo Schwierigkeiten mit Oeffnungszeiten und Zugang abzusehen sind. Ob man dazu, auch genau dort, die  Wartezeit beim Kaffeeautomaten verbringen möchte, ist eher fraglich.

Es war selbst noch 2018 festzustellen, dass Typ 2-Ladestationen in der Praxis oft nicht funktionierten. Die Probleme reichten von verstelltem Zugang, schlechten Kontakten, fehlerhaften Steckern und Dosen bis zu undurchsichtiger und pannenanfälliger Programmierung der Einschalt- und Bezahlverfahren. Selbst der  beliebte grüne Farbschmuck schien keinen positiven Einfluss auf deren Funktionstüchtigkeit zu haben. 

Die Schuld an der Misere lässt sich jeweils bequem zwischen Säulen-, Stromlieferant und Autohersteller  hin- und herschieben. Wie zwei neue Parkhäuser in der Stadt Zürich zudem illustrierten, bereitete schon die blosse Konzeption einzelner Parkplätze mit Steckdosen etwelche Probleme und stellte offenbar hohe Anforderungen an die Auftragnehmer. So funktionierten Dosen noch nach Monaten erst mal gar nicht und 1-phasige 16A Campingsteckdosen wurden mit einem aufwändigen Bezahlverfahren versehen. Bei so geringen beziehbaren Strommengen hätte man für die Kosten des Bezahlverfahrens auf Jahre hinaus den Strom an die wenigen Benutzer gratis abgeben können. Ein Elektroauto müsste ja dort recht lange stehen, um eine nützliche Ladung zu erhalten. Diese Parkhäuser sind ja mit ihren progressiven Parktarifen auf Kurzzeitparkierer ausgerichtet, also sollte das Ladeverfahren auch innert kurzer Zeit eine brauchbare Energiemenge liefern können. 

Es ist unverkennbar, dass Planung und Technik der elektrischen Infrastruktur für Elektroautos in den Kinderschuhen steckt und die beauftragten Ingenieure offenbar keine Elektroautos fahren. Diese Unzulänglichkeiten wurden mittlerweile erkannt und die erwähnten Stationen mussten nachträglich, mit entsprechenden Kostenfolgen, mit brauchbareren Dosen und Bezahlverfahren versehen werden. Der Erfolg blieb nicht aus. Diese neuen Stationen werden nun regelmässig benutzt (2020). 

Es ist unter diesen Umständen begreiflich, dass Tesla sich entschloss von vorneherein Fahrzeuge mit grossen Reichweiten zu bauen und dazu eigene Schnellladestationen zu installieren: Innert 2 Jahren wurden die USA und das nördliche Westeuropa mit einem nahezu vollständigen Netz entlang den Hauptachesen überzogen. Diese “Supercharger" sind mehr als doppelt so leistungsfähig wie die schnellsten bisher eingesetzen Lader der japanischen “CHADEMO” - Norm. Die grosse Reichweite der Tesla Modelle S, X und 3  ermöglicht auch mit relativ wenigen Ladestationen längere Ueberlandfahrten. Die Bemühungen der traditionellen Elektroindustrie, der lokalen Politik, wie der traditionellen Autoindustrie, nehmen sich dagegen zögerlich und kleinkariert aus. Schon im Winter 2014 wurde es möglich mit einem Tesla Model S fast ausschliesslich über deren Schnellladenetz von Holland nach Davos zu fahren. Das von der europäischen Autoindustrie favorisierte CCS-System wurde erst 2018 in Angriff genommen. Die europäischen Versionen des neuen Tesla Modelles 3 können sowohl an Tesla Stationen, wie auch an allen CCS Stationen laden. Mit der Einführung des Modelles 3 rüstete Tesla in Europa innert Monaten einen Teil ihrer Ladestationen mit einem zusätzlichen CCS-Anschluss aus. Für Tesla Modelle S und X sind CCS Adapter erhältlich, wobei ältere Modelle eine Anpassung an der Fahrzeugelektrik benötigen.

Es ist einfach einzusehen, dass Fahrzeuge mit kleiner Reichweite ein sehr viel dichteres Netz an Ladestationen benötigen, um auch weiter fahren zu können. Hat ein Elektroauto z.B. eine praktische Reichweite von 120Km und ein anderes Fahrzeug 400-500 Km, dann benötigt der Wagen mit kurzer Reichweite gut 10x mehr Ladestationen (auf der Fläche). Es ist sehr fraglich, ob der Ansatz “kleine Reichweite: viele Ladestationen”, wie er oft für Stadtautos propagiert wird, für die Zukunft Bestand haben wird.